Fallbeschreibung:
Beauftagungskontext:
Coachee war eine Führungskraft in einem mittelständischen Betrieb. In einem Vorgespräch wurden Rahmenbedingungen, Erwartungen des Coachee, die Rolle als Coach im Gegensatz zu der als Berater und die grundsätzliche Arbeitsweise im Coaching besprochen.
Das Anliegen des Coachees war eine Optimierung der Kommunikation mit den Mitarbeitern. Häufige Mißverständnisse und unklare Anweisungen führten zu Konflikten im Team. Es bestand Uneinigkeit zwischen der Geschäftsleitung und der Vertriebsleitung in Bezug auf die Mitarbeiterführung.
Struktur einer Coachingsitzung:
In der Struktur einer Coachingsitzung halte ich mich an das von mir entwickelte EAGLE-Modell:
- E instieg mit Beziehungsaufbau und Anschluss an die letzte Sitzung
- A nliegen klären für diese Sitzung, Entwicklungen seit der letzten
- G emeinsamen Weg gehen: Coachee bei der Reflektion und Entwicklung unterstützen
- L ösungen finden: Der Coachee bringt eigene Lösungen oder Alternativen und vereinbart einen Handlungsplan zur Umsetzung. Er geht eine Selbstverpflichtung ein.
- E nde: Ausstieg aus der Coachingsitzung, Überleitung zum nächsten Mal.
Coachingsitzungen:
Nach der Formulierung von zwei vorrangigen Zielen (Klare Kommunikation und Rückmeldung; Eigene Ziele und Vorstellungen von Mitarbeiterführung definieren und mit der Geschäftsleitung klären) wurde in der 1. Sitzung ein Rating der bestehenden Situation eingesetzt. Die Fragen dazu wurden gemeinsam entwickelt und dienten auch bereits der Reflektion und Fokussierung des Coachee. Die Ratingskala war mit 1-10 vorgegeben. Abgefragt wurde die Zufriedenheit des Coachee mit dem Ist-Zustand. Ergebnis der Methode war ein aktuelles Bild der Situation.
Daraus ergab sich das Thema für die erste Sitzung. Der Coachee identifizierte seinen Anteil am Problem, suchte Änderungsmöglichkeiten und erarbeitete einen Handlungsplan bis zur nächsten Sitzung. Methodisch wurde von mir z.B. mit systemischen Fragen, Zuhören auf unterschiedlichen Ebenen, Klären und Einfordern gearbeitet, um den Coachee bei seinem Reflektionsprozess zu begleiten. „Hausaufgaben" im Sinne von Nachdenken über eine Leitfrage schlossen den Coaching-Regelkreis von Anliegen, Identifizieren und Umsetzen.
Nach dem Modell des Co-Active Coachings wurde der Coachee über Challenges (Herausforderungen) ermuntert, über selbstgesetzte Grenzen zu gehen („das kann ich nicht"). Aus den Challenges fand der Coachee zu einer festgelegten Handlung, wann diese zufriedenstellend ausgeführt ist und bis wann sie erledigt sein soll. Die Erfahrung mit den Challenges wird grundsätzlich in der nächsten Sitzung aufgenommen. Challenge bestand zum Beispiel in diesem Fall darin, täglich ein Mitarbeitermeeting am Morgen einzuführen und Probleme, die am Vortag aufgetreten waren, klar anzusprechen.
Die nächsten Sitzungen:
Die eigene Stellung des Coachees im betrieblichen System wurde mit Hilfe einer Aufstellung verdeutlicht. Dabei wurde das Systemische Modell eines Sozialen Systems durch Fragen einbezogen (Regeln, Entwicklung, Verhaltensmuster, subjektive Deutungen, Personen, Systemumwelt). Ein Feedbackbogen für eine Mitarbeiterbefragung wurde gemeinsam erstellt und bearbeitet. Er diente als Selbstreflektion und Abbau von Unsicherheit, wie die eigene Person wahrgenommen wurde.
Als zentrales Thema des Coachees stellte sich im Laufe der gemeinsamen Arbeit auch die Klärung der Beziehung zur Geschäftsleitung heraus. Eingesetzt wurden hierzu Elemente der Rational Emotiven Verhaltenstherapie nach A. Ellis, um irrationale Befürchtungen aufzudecken und abzubauen. Der Coachee arbeitete an eigenen Blockaden und Wahrnehmungen, z.B. über Reframingprozesse. Übertragungen und alte Verhaltensmuster wurden transparent. Vor der letzten Sitzung wurde ein halber „Schattentag" durchgeführt. Teammeeting und Mitarbeitergespräche zur Zielvereinbarung wurden durch mich begleitet und reflektiert.
In der letzten Sitzung wurde erneut ein Rating der Eingangsfragen durchgeführt, um Veränderungen fest zu stellen. Eine Reflektion der Veränderungen fand statt. Weiterhin wurden Vereinbarungen über weitere Kontaktmöglichkeiten getroffen und ein telefonisches Follow-up Coaching in 6 Monaten beschlossen, Dauer: 30 Min.
Reflektion des Coachingprozesses:
Das Co-Active Coachingmodell geht von den Grundsätzen aus, dass der Coachee von sich aus kreativ ist und alle Lösungen in sich trägt. Die Agenda wird vom Coachee bestimmt, der Coach geht mit ihm. Im Laufe des Prozesses wurden dem Coachee die Wechselbeziehungen im System und sein Anteil daran transparent. Dies führte zu einer Veränderung im eigenen Auftreten sowohl gegenüber den Mitarbeitern als auch gegenüber der Geschäftsleitung. Die Scheu vor aktivem Ansprechen von Konflikten wurde verringert. Daraus erwuchs eine vertrauensvollere Atmosphäre und ein offenerer Umgang miteineinander. Schwierigkeiten wurden eher angesprochen und nach Lösungen statt nach Schuldzuweisungen gesucht.
Neben dem Abschlussrating bat ich den Coachee ebenfalls um eine Einschätzung, wieviel Prozent der Veränderung in seinen Augen auf Coaching zurück zu führen seien. Dies bildete die Kalkulationsbasis für eine Einschätzung des ROI.